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Stichwort
Axel Bernd Kunze
Menschenrechte
„Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei. / Und würd‘ er in Ketten geboren.“ Schillers Worte treffen sehr gut den grundlegenden Charakter der Menschenrechte: Sie sind unveräußerliche, vorstaatliche Rechte des Einzelnen gegenüber der Gemeinschaft, die das bloße Menschsein zur einzigen Vorbedingung haben. Als moralische Rechte antizipieren sie fehlende rechtliche Bestimmungen, legitimieren bestehendes Recht und verlangen unter Umständen Veränderungen des Bestehenden. Wirksam geschützt werden können sie allerdings nur im Rahmen einer rechtlich verfassten politischen Ordnung, ihnen wohnt daher ein Drang zur Institutionalisierung inne. Die juridische Rückbindung wirkt nicht allein einer ausufernden, unguten „Moralisierung“ entgegen, sie gehört zur Idee der Menschenrechte von Anfang an: Diese können verstanden werden als Antwort auf historisch-konkrete Erfahrungen von Leid und Ungerechtigkeit, die gemeinsam gewertet wurden und politisches Handeln freigesetzt haben – und zwar als eine Antwort in der Sprache des Rechts. Der Staat hat die Menschenrechte zu achten, vor Beeinträchtigungen durch Dritte zu schützen und sich aktiv für ihre Erfüllung einzusetzen. Die Menschenrechte werden ein offenes Projekt bleiben, solange Menschen nicht müde werden, über unfreimachende Lebensbedingungen zu reflektieren, und sie sind unteilbar. Kein Einzelrecht kann ohne Schaden der anderen aus dem Korpus des Menschenrechts herausgebrochen werden.

Universalität der Freiheit


Einen eigenen „christlichen Menschenrechtskatalog“ kann es nicht geben, wenn die Universalität der Menschenrechte nicht aufgegeben werden soll; ein solcher hätte allenfalls eine begrenzte Bedeutung für die – ekklesiologisch zu entscheidende – Frage, ob die Kirchenverfassung eines Art Grundrechtsabschnitts bedürfe. Wenn Glaube nur in freier Annahme möglich ist, können partikulare Glaubensauffassungen nicht für alle verbindlich gemacht werden. Und umgekehrt gilt: Ihr Wesensgehalt ist universal einzufordern; die Menschenrechte können aber auf verschiedene Weise begründet werden. Und so ist es möglich und sinnvoll, den christlichen Rekurs auf die Menschenrechte in die allgemeine Debatte um sie einzubringen und diesen an das einschlägige Verständnis der Menschenwürde anzuschließen. So wie alle Menschen in gleicher Beziehung zur unbedingten Freiheit Gottes stehen, richtet sich die Aufforderung, die eigene, von Gott geschenkte Freiheit authentisch zu vollziehen, kategorisch an alle Menschen und impliziert eine Anerkennung der allen Menschen in gleicher Weise zukommenden Freiheit. Die Anerkennung anderer menschlicher Freiheit kann, soweit diese im Gegensatz zur unbedingten Freiheit Gottes immer bedingt ist, nur symbolisch geschehen. Sozialethisch ist einerseits zu entscheiden, welche Handlungen geeignet sind, die Anerkennung anderer Freiheit zum Ausdruck zu bringen, und andererseits, wie diese Anerkennung bestmöglich und im größtmöglichen Umfang institutionell abgesichert werden kann. Damit ist der Anschluss an den Diskurs um die Menschenrechte erreicht. Ohne sie kann eine Anerkennung der Freiheit nicht als möglich gedacht werden.

Recht und Moral

Doch auch wenn sich rechtlicher und moralischer Sinn in den Menschenrechten miteinander verbinden, sind beide keinesfalls deckungsgleich. Zunächst besitzen nicht alle (völker)rechtlichen Menschenrechtsbestimmungen schon einen unmittelbar ethischen Gehalt; dies anzunehmen, liefe auf eine Moralisierung der Rechtsordnung oder sogar deren quasireligiöse Überhöhung hinaus.  [...]


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