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Stichwort
Christoph Weber
Sozialethik perspektivisch
Den Begriff „Sozialethik“ führte Alexander von Oettingen 1867 in einem seiner Aufsätze ein, in dem der lutherische Theologe einen neuen methodischen Zugang für die adäquate Auseinandersetzung mit neu aufbrechenden ethischen Problemen seiner Zeit forderte. Dass sich an den theologischen Fakultäten im deutschsprachigen Raum ein eigenständiges Fach mit dem Namen Christliche Sozialethik etablieren sollte, konnte er wohl noch nicht abschätzen. Anfangs noch als erweiterte Aufgabenstellung der speziellen Moraltheologie betrachtet, hatte sich das Fach gewissermaßen als Reaktion auf den gesellschaftlichen Wandel, der im 19. Jahrhundert infolge des Übergangs von der Agrar- zur Industriegesellschaft einsetzte und mit gewaltigen sozialen Herausforderungen einherging, formiert und war nach und nach eigenständiger geworden, bis es schließlich zum jüngsten Fach der katholischen und evangelischen Theologie aufstieg. Angesichts der neu zu stellenden „sozialen Frage“ weitete es die genuin ethische Frage nach Gut und Böse vom Handeln des Einzelnen auf die gesellschaftlichen, politischen, rechtlichen und ökonomischen Strukturgegebenheiten aus, unter denen sich das menschliche Handeln abspielt. Sozialethik ging und geht es bis heute um die Frage nach der Gestaltung sich ändernder Institutionen und gesellschaftlicher Ordnungssysteme. So versteht sie sich heute maßgeblich als Strukturenethik und folglich als ethisches Bewertungs instrumentarium guter und schlechter Strukturen, die die menschlichen Handlungs vollzüge normativ beeinflussen. Indem die Sozialethik einerseits als Grundlagenreflexion Sachverhalte deskriptiv aufarbeitet und andererseits an spezifischen Kontexten eine Weitsicht entwickelt, um normative Handlungsentscheidungen treffen zu können, setzt sie sich als einer der Teilbereiche der angewandten Ethik mit den gesellschaftlichen Bedingungen guten und gerechten menschlichen (Zusammen-)Lebens auseinander.

Unsicherheiten hinsichtlich der Notwendigkeit eines solchen Faches und kritische Anfragen an die Anerkennung als neue Wissenschaftsdisziplin, dürften mittlerweile zumindest innertheologisch deswegen als überwunden gelten, da es angesichts der globalen Dynamik der Moderne unweigerlich einer Disziplin wie der Sozialethik bedarf, die die bedeutende Aufgabe zu bewältigen hat, den jeweils aufs Neue zu suchenden ethischen Grundlagen eines friedlichen und gerechten Zusammenlebens nachzuspüren. Die klassischen theologischen Begründungsmuster oder die bloße Rezeption von Antworten aus der kirchlichen Sozialverkündigung reichen nicht aus, um auf die aufbrechenden Fragen der Gesellschaft und deren Notlagen umfassend antworten zu können sowie angemessen Stellung zu den sozialstrukturellen Problemen zu beziehen, so dass gesellschaftliches Miteinander glücken kann. Will Christliche Sozialethik in der Gesellschaft von heute Gehör finden, muss sie auf einen moralisierenden Gestus verzichten und bereit sein, sich auf die Eigengesetzlichkeiten der Welt in ihrer Ganzheit einzulassen.

Globale und intergenerationelle Gerechtigkeit


Das Fach der Sozialethik bietet hierzu eine wissenschaftlich ausgerichtete Reflexion, die jedoch nicht auf bloße Fortentwicklung oder Exegese der amtlichen katholischen Soziallehre verkürzt werden darf. Das Kriterium ihrer Analysen muss hingegen immer globale und intergenerationelle Gerechtigkeit sein, wenn sie adäquat Aufmerksamkeit für die prekären Nöte und Situationen so vieler Menschen erregen und für gesellschaftliche Fragen sensibilisieren, illusionäre Hoffnungen sowie Versprechungen kritisch hinterfragen und für eine Modifikation von Rahmenbedingungen werben, starre Strukturen evaluieren und praktische Hilfen im kirchlichen Bereich anregen will. Der Päpstliche Rat für Gerechtigkeit und Frieden versteht das Fach als wichtige Instanz für Orientierungsvermittlung in den Umbruchprozessen der Globalisierung. Man könnte sagen, dass Sozialethik an den Schwierigkeiten, die ihr entgegengebracht werden, wächst, sobald sie als Herausforderungen, die es zu lösen gilt, betrachtet werden. Auf diese Weise können sie gute Chancen für eine positive Veränderung bieten. Hinsichtlich des theologischen Status des Faches kann man sagen, dass die Sozialethik bereit ist, die Gottesfrage vor dem Hintergrund der sich verändernden Welt des 21. Jahrhunderts neu zu stellen. Als besonders dominant in diesen Tagen erweisen sich ökonomische Interessen, die mehr und mehr die Ethik des Handelns bestimmen und neue Fragen aufwerfen. Dies kann jedoch nur vor dem Hintergrund eines interdisziplinär-dialogfähigen Diskurses erarbeitet werden. Weil sich das Fach in seiner Eigenart ständig mit Transformationsprozessen befasst, bleibt es in seiner Suche nach Antworten selbst einem ständigen Wandel unterzogen. Sozialethik ist somit als eine Wissenschaftsdisziplin anzusehen, die angesichts des gesellschaftlichen Wandels sowie der Pluralität und Heterogenität der gesellschaftlichen Teilbereiche in spezifische Sachbereichsethiken ausdifferenziert werden muss. Heutzutage sind wegen den aus der Ungleichverteilung der finanziellen Mittel resultierenden Ungerechtigkeiten die Wirtschaftsethik und die politische Ethik von zentraler Bedeutung. Daneben rückt die Umweltethik als Ethik der Sorge um den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen für die heute Lebenden wie auch für zukünftige Generationen immer mehr in den Mittelpunkt. Wenn das Fach es versteht, an der Schnittstelle der Theologie zu Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Kirche als Wahrnehmerin und Analystin praktischer Entwicklungen und Nöte in der Welt zu agieren, kann es Außenwirkung für die gesamte Theologie entfalten. [...]


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