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Stichwort DOI: 10.14623/wua.2024.3.98-101
Katharina Leniger
Darf Recht ungerecht sein?
Glaubt man einer Umfrage, die im „Focus“ im Jahr 2021 veröffentlicht wurde, hielten 55 % der etwa 1.300 Befragten Urteile deutscher Gerichte als allgemein zu milde, sogar 58 % empfanden die Rechtsprechung als uneinheitlich. Ersichtlich wird daran, dass gesprochenes Recht als ungerecht empfunden werden kann: als zu lasch oder zu streng, als unverhältnismäßig in Bezug auf das Leid der Geschädigten. Die intuitive Annahme hinter dieser Empörung lautet, dass das Recht auch gerecht sein muss. Aber muss es das? Oder etwas zugespitzter formuliert: Darf Recht auch ungerecht sein? Formuliert man diese Problemstellungen allgemeiner (und abstrakter), lässt sich fragen, in welchem Verhältnis Recht und Gerechtigkeit zueinander stehen. Unbestritten liegt damit ein großes, wenn nicht das zentrale Thema der Rechtsphilosophie vor, das hier nur anhand ausgewählter Schlaglichter betrachtet werden kann.

Was ist Recht und welche Funktion(en) hat es?

Dazu sollen zunächst die begrifflichen Grundlagen untersucht werden. Was beschreibt der Begriff des Rechts überhaupt? Wenn man einer weiten Definition folgt, kann man Recht als ein „soziales (…) Regelsystem“ verstehen. Rechtliche Normen werden von anderen, wie bspw. sozialen oder moralischen Normen, darin unterschieden, dass sie bei Nichtbefolgen durch den Staat sanktioniert werden. Solche staatlichen Zwangsakte können z. B. zivilrechtlich eine Schadensersatzleistung oder strafrechtlich eine Geld- oder Freiheitsstrafe darstellen. Die rechtlichen Normen werden in festgeschriebenen Akten gesetzt und sind dann ‚positives‘ Recht. Die hauptsächliche Funktion des Rechts besteht darin, einen Rahmen zur Verfügung zu stellen, in dem Konflikte geregelt und friedlich zwischen Rechtssubjekten ausgetragen werden können. Damit es diese Funktion erfüllen kann, muss es Grundsätzen der Gerechtigkeit genügen. Die anfänglich benannte Intuition, dass Recht auch gerecht sein muss, könnte man mit diesen Ausführungen also bestätigen: Recht hat als Zielperspektive immer auch die Gerechtigkeit. Worin genau besteht also die rechtsphilosophische Kontroverse um das Verhältnis von Recht und Gerechtigkeit?

Eine der Auseinandersetzungen behandelt die Fragestellung, ob und warum rechtliche Normen überhaupt Geltung beanspruchen können. Gelten sie nur dann, wenn sie auch gerecht sind? Oder nur dann, wenn sie auch akzeptiert werden? Oder müssen sie lediglich rechtmäßig gesetzt worden sein? Das ist nicht nur eine rein theoretisch-philosophische Diskussion, denn entsprechend der Gewichtung dieser drei Ebenen ergeben sich unterschiedliche Konflikte.

Zwischen Rechtssicherheit und Gerechtigkeit?

Geht man davon aus, dass für die Geltung von Normen allein die rechtmäßige Setzung und soziale Wirksamkeit relevant sind (‚Rechtspositivismus‘), schafft man einen hohen Grad an Rechtssicherheit, weil sich die rechtsanwendenden Personen darauf verlassen können, dass die entsprechenden Gesetze unbedingt gelten – auch rückwirkend. Problematisch ist das jedoch, wenn dieses Recht selbst in erheblichem Maße ungerecht wird. Nach dem Zweiten Weltkrieg beriefen sich viele Personen, die Gräueltaten verübt hatten, darauf, dass sie sich nur an Recht und Gesetz gehalten hätten. In der Tat war es nicht leicht, eine Möglichkeit zu schaffen, diese Menschen zu verurteilen, wenn sie sich an das im nationalsozialistischen Deutschland rechtmäßig gesetzte Recht gehalten hatten.

Zieht man sich allerdings auf die Position zurück, dass das Recht nur dann gilt, wenn es auch gerecht ist, kann man diesem Problem zwar entgehen, handelt sich jedoch gleich mehrere andere Probleme ein: Denn woran ließe sich dann erkennen, dass die befolgte Norm nicht zu einem späteren Zeitpunkt als ungerecht gekennzeichnet und das eigene Handeln rückwirkend als unrechtmäßig verurteilt werden könnte? Rechtssicherheit, die in Rechtsstaaten aus den erläuterten Gründen ein hohes Gut darstellt, ist damit immer gefährdet. Außerdem müsste festgelegt sein, wer wann wie bestimmt, was als gerecht zu gelten hat. In einer langen Rechtstradition des so genannten Naturrechts wurden dafür bspw. biologische oder kosmische Erkenntnisse oder auch die Vernunftnatur des Menschen herangezogen. Auch hier ist aber zu kritisieren, dass nicht hinreichend zu klären ist, „wer oder welche Instanz die naturrechtlichen Normen erkennt und interpretiert“ und was letztlich unter einer als solcher bezeichneten ‚Natur‘ zu verstehen ist.

Vertritt man eine positivistische Auffassung, gilt Recht, wenn es ordentlich gesetzt wurde. Das ist auch dann der Fall, wenn es gegen Prinzipien der Gerechtigkeit verstößt. In diesem Fall wird das Recht als getrennt von Prinzipien der Gerechtigkeit betrachtet. Im Sinne der Rechtssicherheit ist es wichtig, dass dies so ist. Doch wie ist damit umzugehen, wenn Recht ungerecht wird oder ist? [...]


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