archivierte Ausgabe 4/2013 |
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Claudia Keller |
Politischer Katholizismus – Last oder Lust? |
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An der Spitze des Staates steht die Pfarrerstochter Angela Merkel, die Mehrheit der Kabinettsmitglieder in der letzten Legislaturperiode war evangelisch, ein evangelischer Pfarrer ist Bundespräsident. Vieles, was auf den Kirchentagen in den vergangenen Jahrzehnten gefordert wurde, ist erfüllt: Deutschland schafft die Wehrpflicht ab, steigt aus der Atomkraft aus, streitet für einen gezähmten Kapitalismus und trinkt fair gehandelten Kaffee. Es ist nicht mehr zu übersehen: Deutschland ist eine protestantische Republik geworden.
Politischer Katholizismus heute
Nach dem Krieg und bis in die Ära Kohl hinein war das anders. Da prägte der politische Katholizismus die Bundesrepublik. Doch um den steht es heute schlecht, zumindest um den politischen Katholizismus wie man ihn kannte. Norbert Lammert, Annette Schavan und der ehemalige Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse gehören bzw. gehörten zu einer Minderheit von Spitzenpolitikern, die ihr politisches Engagement noch mit ihrem katholischen Glauben begründen bzw. begründeten. Der junge Hoffnungsträger Karl-Theodor zu Guttenberg hat dem politischen Katholizismus durch seine persönliche Unaufrichtigkeit schwer geschadet. Und der geschiedene und wiederverheiratete Christian Wulff wurde in der Öffentlichkeit sowieso nie so richtig als Katholik wahrgenommen. Von Katholikentagen gehen kaum noch gesellschaftlich prägende Impulse aus, ebenso wenig von der katholischen Theologie. 2010 wurde auch noch der „Rheinische Merkur“ eingestellt, das publizistische Flaggschiff des politischen Katholizismus.
Für den Niedergang gibt es Gründe. Katholische Familien bekommen auch nicht mehr viele Kinder, und es fehlt schlichtweg der Nachwuchs. Ebenso tiefgreifend wirkt sich der Wandel der Religiosität aus. Nach wie vor sind zwar zwei Drittel der Deutschen Mitglied in einer Kirche, und Religion und Glaube sind auch im säkularen Deutschland wichtig. Doch sie nehmen andere Formen an. Religiosität ist individueller geworden und anti-institutioneller. Die Kirchen und christlichen Verbände haben es zunehmend schwer – mit fatalen Folgen für den politischen Katholizismus, der in festen katholischen Milieus gewachsen ist und von Anfang an eng verbunden war mit der Entwicklung der katholischen Verbandsstruktur im 19. Jahrhundert. Gleichzeitig nimmt das Glaubenswissen ab und immer weniger ist selbstverständlich, angefangen von der religiösen Praxis bis hin zu Fragen des Staatskirchenrechts. Die jungen Politiker, die in den Bundestag eingezogen sind, sind anders sozialisiert als die Generationen vor ihnen, selbst wenn sie aus katholischen Familien stammen. Früher waren Jungen und Mädchen in einer Pfarrei verwurzelt, machten bei den Pfadfindern mit, wurden Gruppenleiter, politisierten sich beim Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) und traten in die Junge Union ein. Ob sich heute ein junger Katholik gesellschaftlich engagiert, hängt weniger vom Pfarrer oder Gruppenleiter ab als von Debatten in sozialen Netzwerken und führt längst nicht mehr automatisch zur Mitgliedschaft in einer Partei. Wenn dann noch Bischöfe und ein Papst wie Benedikt XVI. Distanz zur Welt predigen, ist es nicht überraschend, dass immer weniger Katholiken ins harte politische Geschäft einsteigen. Wer hat schon auf Dauer Lust, in der politischen Auseinandersetzung zu stehen und sich dann auch noch anhören zu müssen, er verrate die Wahrheit des Glaubens? Welcher Wissenschaftler bleibt kreativ, wenn er bei einer innovativen These mit dem Entzug der Lehrerlaubnis rechnen muss? Die Erosion des politischen Katholizismus ist auch eine Folge der Krise, in der sich die katholische Kirche in Deutschland insgesamt befindet.
Der Befund macht traurig. Denn die engagierten Katholiken werden gebraucht – mehr denn je. Gerade weil in der säkularisierten Gesellschaft Religionen immer mehr und immer aggressiver hinterfragt werden, sind Menschen wichtig, die ihren Glauben erklären können und für ihre Überzeugungen öffentlich eintreten. Die sich einmischen, unbequemen Fragen nicht aus dem Weg gehen und sich einsetzen für christliche Werte. Denn den Menschen sind zwar Bibelstellen fremd geworden, nicht aber die Frage, warum sie auf der Welt sind und wie das einmal sein wird, wenn sie sterben. Sie sehnen sich nach Instanzen, die dem globalen Markt eine globale Moral zur Seite stellen und gegen das Denken in Kategorien von Effizienz, Leistung und Profitmaximierung ankämpfen. Doch ein Hirtenwort hier und eine Kirchentagsresolution da reichen nicht. Die Gesellschaft braucht Christen, braucht Katholiken, die tagtäglich qua Amt darauf achten, dass der Umgang miteinander menschlich bleibt, die mitwirken an Gesetzen und sich den Debatten stellen. Sie werden im Bundestag genauso gebraucht, wie in der Kommunalpolitik und in der Nachbarschaft. [...]
Lesen Sie den kompletten Artikel in der Printausgabe.
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