archivierte Ausgabe 3/2022 |
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Leseprobe 1 |
DOI: 10.14623/wua.2022.3.101-111 |
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Friedrich Bechina / Pablo C. Sicouly |
Zwischen Treue und Reform |
Weltkirchliches und dominikanisches Studienengagement von Rom aus gesehen |
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I. Anfragen und Vorbemerkungen zur „kulturellen Revolution“ von Papst Franziskus gemäß der Apostolischen Konstitution Veritatis gaudium
Bei der Lektüre der Apostolischen Konstitution Veritatis gaudium, dem Universitätsgesetz des Heiligen Stuhls im Blick auf die unter seiner Autorität stehenden kirchlichen Hochschulstudien, fällt unweigerlich zweierlei ins Auge: Zum einen spürt man – zumal in der Einleitung – einen „frischen Wind“, einen neuen Blick auf Theologie, Philosophie, Kirchenrecht und die vielen anderen Studienrichtungen im kanonischen Studiensystem, der einer „Kirche im Aufbruch“ entspricht. Prominente Autorinnen und Autoren haben das als die „kulturelle Revolution von Papst Franziskus“ und als Ausdruck einer nun „relevanten Theologie“ bezeichnet. Zum anderen folgt dann in den meisten Kommentarwerken die ernüchternde Feststellung, dass das nachfolgende normative Corpus sich nur wenig von der Vorgängerkonstitution Sapientia christiana (1979) unterscheidet.
So kommt die Theologin und frühere deutsche Bundesministerin für Bildung und Forschung Annette Schavan, nachdem sie die Einleitung als Beitrag dazu, „die landläufigen Paradigmen vor dem Hintergrund epochaler Probleme kritisch zu befragen“, gelobt hat, zu einem recht kritischen Urteil über den normativen Teil der Apostolischen Konstitution: „Ratlos machen dann allerdings die Abschnitte über allgemeine und besondere Normen. Das ist ein anderer Ton; darin wird eine Ausführlichkeit und Detailverliebtheit deutlich, die mit dem Text der Einleitung in keiner Beziehung zu stehen scheint. Genau dieser Text aber wäre geeignet gewesen, die mutige kulturelle Revolution, von der Papst Franziskus spricht, in einer neuen Ordnung umzusetzen, die aufhorchen und erkennen ließe, dass das von ihm geforderte ‚offene Denken‘ ernst genommen wird. Eine Ordnung wäre notwendig, die erkennen lässt, dass sie den Geist des Textes der ersten sechs Ziffern atmet und zu einem offenen Denken ermutigt, zu wissenschaftlicher Kreativität und zu einem Selbstverständnis der Theologie als Avantgarde […]. Nun aber wirken die Normen so, als sollte damit vermieden werden, dass die Revolution tatsächlich beginnt.“
Die Formulierung „kulturelle Revolution“ legt sich nahe, insofern Papst Franziskus selbst von einer die theologischen und anderen kirchlichen Wissenschaften betreffenden „kulturellen Revolution“ spricht, bzw. eine solche fordert. Diese Forderung provoziert ihrerseits weitere Fragen, denen die hier vorliegenden Überlegungen wenigstens kursorisch nachgehen möchten. Zu fragen wäre, ob die päpstliche Formulierung nur eine von den inzwischen in kirchlichen Kreisen gewohnten Bergolianischen Provokationen ist, weil ja „Kulturrevolution“ verschiedenste, zumal politische Assoziationen zu wecken vermag, die ihrerseits wieder gegenwärtige innerkirchliche Gemeinplätzen befeuern. Oder ist mit „kultureller Revolution“ tatsächlich etwas Konkretes, Spezifisches und im kirchlichen Leben Umsetzbares gemeint?
Revolutionäre Erneuerung aus dem Heiligen Geist
Klärung bringt dazu die philologische Betrachtung, was im allgemeinen unter „Revolution“ zu verstehen ist, die zum verwunderlichen Ergebnis gelangt, dass „Revolution“ vom lateinischen „re-volvere“ stammt, was so viel wie „zurück-rollen“, „zurück-wälzen“ oder „zurück-drehen“ bedeutet. „Revolution“ wäre dann eine – allerdings – rückwärts gerichtete Umwälzung der Verhältnisse. In der heute mehrheitlich gebrauchten lexikalischen Bedeutung tritt die etymologisch begründete Rückwärtsrichtung in den Hintergrund, sodass „Revolution“ mehr allgemein einen „gewaltsamen Umsturz der bestehenden Staatsform und der bestehenden Machtverhältnisse“ sowie näherhin eine grundlegende Veränderung der gesetzlichen und sozialen Ordnung meint. Insofern sich jede gesellschaftliche Ordnung (im modernen weltanschaulich neutralen und demokratischen Staat) für gewöhnlich durch Gesetze ausdrückt, wäre im Falle der Kirche der Papst als Gesetzgeber der einzige Ermächtigte, um eine umwälzende Normenentwicklung herbeizuführen, was er – jedenfalls der Mehrheitsmeinung der Kommentatoren gemäß – im Falle von Veritatis gaudium unterlassen hat.
Versteht man dagegen die Rede von der „Revolution“ metaphorisch, was im kirchlichen Kontext ja schon früher gelegentlich geschehen ist, muss die Radikalität der Erneuerung keineswegs oder nicht primär an eine umstürzende Erneuerung von Strukturen und Rechtsordnungen gebunden sein. Ja es ist zu argumentieren, dass dieselben inneren und nach christlichem Glauben der Bekehrung bedürftigen Haltungen, wie beispielsweise das Streben nach Macht, der Machtmissbrauch oder eine Neigung zu korruptem Verhalten zum eigenen Vorteil, in verschiedensten äußeren Rechtsordnungen und Organisationsformen (also etwa sowohl in einem totalitären wie auch in einem demokratischen System) vorkommen. Demgegenüber wäre dann die eigentliche „revolutionäre“ Erneuerung jene im Herzen des einzelnen beginnende Bekehrung sowie eine echte kirchliche Reform oder Erneuerung auf allen Ebenen, die sich durchaus auch als Frucht der Konfrontation mit den eigenen Glaubensquellen, bzw. im Rückgriff auf die Ursprünge und die lange Tradition der Kirche verstehen darf. Erster Protagonist einer solchen Erneuerung wäre nach theologischem und ekklesiologischem Verständnis im Blick auf die Kirche weder der Papst noch eine bestimmte Gruppe oder Teilkirche, sondern in erster Linie der Heilige Geist selbst, der sich natürlich jederzeit dieser und anderer „Instrumente“ zur Erneuerung der Kirche bedienen kann. Als „semper reformanda“ obliegt es der Kirche – gerade um einer fortwährenden und zeitgemäßen Erneuerung willen – ihren eigenen Ursprung immer wieder neu zu entdecken um ihm treu zu bleiben. Dass zwischen Reform und Treue zur eigenen Identität, zu den eigenen Ursprüngen und zur eigenen Tradition kein Widerspruch besteht, sondern im Gegenteil gerade die Fähigkeit, sich immer wieder neu und anders zu verwirklichen, Grundlage echter Treue zu Ursprung und Sendung ist, kann nicht nur theologisch argumentiert werden. Nicht nur von der Kirche, sondern gerade auch von der Universität gilt, dass beide als Institutionen länger als jede andere zu „überleben“ verstanden, weil sich beide sowohl durch eine bleibende Bindung an ihre „Ursprungsidee“ als auch durch ihre Fähigkeit zu fortwährender Erneuerung auszeichnen. Die dabei bleibende (hermeneutische) Spannung zwischen Tradition und Erneuerung hat Papst Benedikt XVI. – nicht ohne vielfältige Reaktionen hervorzurufen – bei seiner Weihnachtsansprache an die römische Kurie 2005, explizit benannt. [...]
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