archivierte Ausgabe 4/2008 |
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Frank Crüsemann |
Wirtschaftliche Gerechtigkeit als Moment biblischer Theologie |
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Die Frage nach wirtschaftlicher Gerechtigkeit gehört zu den Dimensionen biblischer Gotteserkenntnis, die mit dem Entstehen des biblischen Monotheismus direkt verbunden sind und auf die nicht verzichtet werden kann, soll nicht der biblische Glaube selbst auf dem Spiel stehen. Das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass das Neue Testament hier wie in anderen theologischen Kernfragen immer wieder nachdrücklich auf die biblische Grundlage zurückverweist und an sie bindet. Die folgenden Ausführungen sollen in aller Kürze thesenartig an diesen Gesamtzusammenhang erinnern.
Vor allem durch archäologische Funde wurde die alttestamentliche Wissenschaft in den letzten Jahrzehnten zu der Einsicht genötigt, dass die Entstehung der typisch biblischen Gottesvorstellung ein jahrhundertelanger, hochkomplexer Prozess war. Er wurde und wird vor allem unter der Frage des „Monotheismus“ verhandelt. Das ist aber eine nicht unproblematische Verkürzung. Denn die Frage nach der Einheit Gottes hat zwar eine Schlüsselstellung, da sie zu Veränderung der gesamten Weltwahrnehmung nötigte. Aber sie war weder sachlich noch zeitlich von inhaltlichen Fragen zu trennen, bei denen es um nichts Geringeres als die Identität Gottes geht. Das Thema der Gerechtigkeit in Gottes Handeln wie dem der menschlichen Entsprechung spielte dafür eine entscheidende Rolle.
Insbesondere in Gestalt der Exodustradition war der Glaube an den Gott Israels immer ein Glaube an Freiheit und Befreiung gewesen. Wenn sich Gott am Beginn des Dekalogs durch den Bezug zu Israel wie auf Freiheit definiert, ist dies Ausdruck einer durchgängigen Konstante, die im Laufe des genannten religionsgeschichtlichen Prozesses immer deutlichere Züge annimmt. Die zunehmende Aufhellung dieses Prozesses, von dem einige Umrisse im Folgenden zu Sprache kommen sollen, zwingt dazu, die grundlegenden biblischen Glaubensaussagen in neuer Weise auch theologisch ernst zu nehmen. Das bedeutet, dass der Bezug auf Freiheit und Gerechtigkeit ein Kernelement des biblischen Gottesglaubens ist und nicht als sekundäre Fragen angesehen werden kann.
Mit dem Aufkommen des neuzeitlichen Kapitalismus schienen die biblischen Wirtschaftsgesetze obsolet zu werden. So hat etwa noch Martin Luther für die Geltung des biblischen Zinsverbotes gekämpft, was schon zu seiner Zeit und erst recht danach eine Außenseiterposition war. Von Kirche und Theologie wurde dem Kapitalismus und seinen Folgen selten etwas entgegengesetzt. [...]
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