archivierte Ausgabe 4/2013 |
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Hermann Weber |
Dienst am geistigen Gemeinwohl |
Katholische Intellektuelle im globalen 21. Jahrhundert |
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„Doch gleich einem sich manchmal drehenden Kaleidoskop stellt die Gesellschaft nach und nach die Elemente, die man für unbeweglich hielt, in anderer Weise zusammen, so dass sich ein verschiedenes Bild ergibt. […] Solche neuen Konstellationen im Kaleidoskop kommen durch etwas zustande, was ein Philosoph als einen Wandel der Kriterien bezeichnen würde. Die Dreyfus-Affäre führte […] einen derartigen neuen Wandel herauf, und das Kaleidoskop wirbelte noch einmal seine kleinen bunten Rauten durcheinander. Alles, was jüdisch war, kam nach unten zu liegen, sei es selbst die vornehme Dame, und obskure Nationalisten nahmen ihren Platz oben ein.“
Frankreich 1898, inmitten der Dreyfus-Affäre: Es ist diese scheinbar zwingende Verschiebung der „Kriterien“ und Werte, der Denk- und Machtlogik, den darin Gefangenen kaum merklich, aus der der Begriff des „Intellektuellen“ geboren wird, für diejenigen stehend, die sich im „Manifeste des intellectuels“ dem obskuren Nationalismus und seinem antisemitischen Sündenbockkonstrukt auf-klärend entgegenstellen, Wissenschaftler und Schriftsteller, darunter auch Marcel Proust. Zu Beginn des 21. Jhs. wirbelt das Kaleidoskop des Wandels noch ungleich schneller. Die ganze Welt in der Vielfalt ihrer Perspektiven scheint uns dabei stets (medial) präsent zu sein. Gedeihen in diesem Wirbel noch Intellektuelle? Braucht es den Begriff noch? Könnte ihm ein Bindestrich zur „Katholizität“ (als Form der Globalität) sogar ein ungeahntes Timbre geben? Die folgende Skizze kann keine fertigen Antworten liefern, aber vielleicht die Fragen aufdecken helfen.
„Intellektuelle“: Streiflichter auf einen wandelbaren Begriff
Die Geschichte und Wandlung der begrifflichen Fassung und des (politischen) Gebrauchs der Wortschöpfung „Intellektuelle“ sind zu vielgestaltig, um sie hier referieren zu können. Sie bewegen sich in der Schnittfläche von soziologischer „Positionierung“ (Eliteforschung), Kampf der Weltanschauungen (sofern in der Bilderflut noch „Anschauungen“ zu fixieren sind; Ideologietheorie) und Innovationsforschung (technisch-ökonomisch heute auch gern „change management“), um nur die wichtigsten betroffenen Wissenschaftsbereiche zu nennen. Dennoch zumindest Schlaglichter auf einige Stationen des geschichtlichen Wegs:
Als Klassiker der älteren Wissenssoziologie schreibt Karl Mannheim der „sozial freischwebenden Intelligenz“ 1929 in seinem Werk „Ideologie und Utopie“ – inmitten der Zerrissenheit der Weimarer Republik – die Verantwortung für so etwas wie das geistige Gemeinwohl zu. Durch Bildung einer zwingenden Klassengebundenheit sozial wie geistig enthoben, sollten sie einen vermittelnden Dienst – das Ganze im Auge behaltend – leisten: Freiheitsanspruch und -zumutung, die auch für heute gültig bleiben. In den Jahrzehnten und Frontstellungen des Kalten Krieges gerät „Intellektuelle“ von Seiten „bürgerlicher“ Soziologie und Philosophie dagegen zumeist zu einer Negativkategorie, einem (marxistisch orientierten) „Prinzip Hoffnung“ (Ernst Bloch) statt dem „Prinzip Verantwortung“ (Hans Jonas) verschrieben. Raymond Aron sieht sie 1955 in seinem Werk „L’Opium des Intellectuels“ im Nebel der marxistischen Ersatzreligion, die er an ihnen bis hin zur „Unfehlbarkeit“ durchmetaphorisiert. Realitätsfern sind sie Revolution und Universalismus zugeneigt, im deutschen Jargon „vaterlandslos“ (weil brot- und letztlich machtlos?). Im Deutschland der 1970er Jahre artikuliert sich dann durchaus auch in der Theorie eine Angst vor der Meinungsmacht dieser wenig „funktionalen“ Geisteselite, symptomatisch in Helmut Schelskys Buch „Die Arbeit tun die anderen. Klassenkampf und Priesterherrschaft der Intellektuellen“ (1975).
Aron richtet seinen analytischen Blick kontextualisierend bereits auf das, was dann bald „Dritte Welt“ heißen wird (China und Myanmar, die er nennt, wären gerade heute wieder äußerst spannende Felder für eine Intellektuellenforschung in Transformationsprozessen). Dabei wird – über eine deutsch-französische Debatte hinaus – schnell deutlich, wie kontextabhängig eine Begriffsbildung zu Intellektuellen letztlich ist – und trotz Globalisierung wohl bleiben wird –, abhängig zunächst von Zahl, Qualität und (soziologischer) Positionierung der Hochschulabsolventen (eines Landes). Bezieht man sich etwa auf Lateinamerika (vor 1989), dann kann die Kategorie je nach Entwicklungsstand im weiten Begriff alle Hochschulabsolventen – und damit die dadurch rekrutierten Funktionseliten –, im engsten Begriff die großen Literaten des „Boom“ bezeichnen, jene „Arielisten“ (nach Shakespeares Luftgeist), die dann oft doch in politisch-diplomatische Funktionen eingebunden wurden.
Wie auch in anderen Kontinenten, pluralisiert sich nach dem Symboldatum 1989 in Lateinamerika das intellektuelle Feld; die ideologische Spannung lässt nach, die vornehmlich „linke“ Orientierung an „Dependenz“ und folglich „Befreiung“ verliert an Dominanz. Solch weltanschauliches Tauwetter, verbunden mit einem seit den 1980er Jahren tonangebenden postmodernen Denken (im Horizont eines letztlich von Nietzsche inspirierten Perspektivismus), sollte nun für eine Lebensform geistiger Freiheit („freischwebend“ laut Mannheim) fruchtbarer Nährboden sein. [...]
Lesen Sie den kompletten Artikel in der Printausgabe.
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