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Leseprobe 1 DOI: 10.14623/wua.2024.4.150-155
Lukas Bormann
Nachfolge – Nachahmung
Zur politischen Dimension der neutestamentlichen Christus-Mimesis
Die jesuanische Forderung der Nachfolge hat tiefe Spuren im christlichen Selbstverständnis hinterlassen. Sie gilt als die unbedingte Forderung, die in der Begegnung mit Jesus kein Zögern und kein Fragen zulässt. Wenn der vollmächtige Verkünder des Reiches Gottes in die Nachfolge ruft, dann ist der Mensch in seinem ganzen Sein, das durch die Schöpfung und die Geschichte Gottes mit seinem Volk Israel bestimmt ist, erfasst. Diese Unbedingtheit des Nachfolgerufs ist in Mk 2,14 besonders deutlich zum Ausdruck gebracht: „Er sagte zu ihm: ‚Folge mir nach!‘ Und er stand auf und folgte ihm nach.“ Dietrich Bonhoeffer hat die Interpretation dieses Verses an den Anfang seines berühmten Buches zur Nachfolge aus dem Jahr 1937 gestellt: „Die unbedingte, unvermittelte und unbegründbare Autorität Jesu wird in dieser Begegnung bezeugt.“ In dieser Unbedingtheit liegt aber auch die Problematik des herkömmlichen Verständnisses von Nachfolge: Es lässt nur wenig Raum für das handelnde Subjekt und seine selbstreflexive Autonomie.

Jüngerberufungen – Sünderberufung

Die synoptischen Evangelien entfalten den Nachfolgeruf Jesu narrativ in den Jüngerberufungen. Obwohl gerade die Narration die dramatische Einbindung von Gegensätzen und Widersprüchen ermöglicht, schließen viele der synoptischen Erzählungen diese Ambivalenzen aus. Am Anfang der Reihe der Nachfolgeerzählungen steht mit Mk 1,16–20 die Berufung der beiden Brüderpaare Petrus und Andreas sowie Jakobus und Johannes. Die Söhne des Zebedäus werden später als die „Söhne des Donners“ noch einmal hervorgehoben (Mk 3,17). Petrus nimmt die Rolle des Repräsentanten der Jüngergemeinschaft ein und erfährt im Matthäusevangelium schließlich auch die metaphorische Deutung seines Namens als „Fels“ (Mt 16,18). In der Traditionsbildung werden die in die Nachfolge Jesu gerufenen „Söhne des Donners“ u. a. für die spanische Kolonialisierung Lateinamerikas wichtig und Petrus wird als „Fels, auf dem ich meine Kirche baue“, verbunden mit der „Schlüsselgewalt“, für das Kirchenverständnis bedeutsam. In diesen Erzählungen werden durch die Evangelisten den führenden Jüngern der nachösterlichen Gemeinden auch Denkmäler gesetzt.

Die lukanische Fassung der Berufung der ersten Jünger in Lk 5,1–11 weicht signifikant von den eindimensionalen Darstellungen im Markus- und Matthäusevangelium ab. Lukas thematisiert die Ambivalenzen des Nachfolgerufs, indem er Petrus als „sündigen Menschen“ vorstellt, der die heilvolle Präsenz Gottes in Jesus als Kyrios, die sich gerade im überreichen Fischfang erwiesen hat, zurückweist. Der Nachfolgeruf wird eingebettet in etwas Größeres: die Begegnung mit dem Heiligen, von dem Faszination und Schrecken ausgeht. Die Reaktion der Jünger, die in die Nachfolge treten, wird durch die typisch lukanische Hervorhebung des radikalen Besitzverzichts unterstrichen: „und sie verließen alles“ (Lk 5,11, vgl. 5,28; 12,33; 14,33; 18,22.28).

In den Nachfolgegeschichten greift Markus auf das Signalwort „sofort“ (gr. euthys) zurück. Reinhold Zwick hat dieses markinische Lieblingswort eindringlich analysiert. Die Wendung habe „Impulsqualität für die Vorstellungsbildung des Lesers“ und markiere „einen markanten Einstellungswechsel“, wobei Zwick bei Einstellungswechsel auch an die Kamera denkt. Der Erzähler Markus schildert die Reaktion der Jünger auf die Aufforderung „Auf, mir nach, ich werde euch zu Menschenfischern machen!“ mit den Worten „Sofort (gr. euthys) ließen sie die Netze zurück und folgten ihm nach“ (Mk 1,18 vgl. Mt 4,20.22; Lk 5,11). Folgt man der Ansicht, dass das Markusevangelium das älteste Evangelium ist, dann haben wir hier die erste Verwendung des Verbs gr. akoloutheo. Die Erzählung unterstreicht, dass die Nachfolgeforderung Jesu weder zeitliche noch gedankliche Distanzierung erlaubt.

Nachfolge und Königsherrschaft Gottes

Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Nachfolgeforderung als Ruf in die Gemeinschaft, die die Königsherrschaft Gottes (gr. basileia tou theou) erwartet und erfährt, zur ältesten Jesusüberlieferung gehört. Jesus zog mit einer Schar von Jüngerinnen und Jüngern zum Passah des Jahres 30 n. Chr. in Jerusalem ein und hatte diese Jüngergruppe als Repräsentant der dem Reich Gottes entsprechenden Gemeinschaft gebildet. Auch die hypothetisch erschlossene Logienquelle (Q) legt der Nachfolgeforderung eine hohe Bedeutung bei (Q nach Lk 7,9; 9,5760; 14,27 vgl. 22,28/Mt 19,28). Die Bewährung in der gemeinschaftlichen Jüngernachfolge ist die Bedingung für die Teilhabe an der endzeitlichen Macht des Menschensohns (Q nach Lk 22,28–30/Mt 19,28): „Ihr, die ihr mir nachgefolgt seid, sollt in der Königsherrschaft auf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten.“ Der hypothetische Erzählzusammenhang der Logienquelle stellt heraus, dass in Q eine narrative Identitätsstiftung erfolgt, die, so Arne Bork, einer „In-group“ Lebenssinn durch Nachfolge anbietet und zwar als „schlüssige Erzählung von Jesus und seinem Wirken für seine Nachfolge“. Ulrich Luz wiederum stellt die prophetische Dimension des Wirkens Jesu heraus. Jesu Weg nach Jerusalem sei in Lk 12,49b zu fassen: „Ich bin gekommen, Feuer auf die Erde zu werfen, und wie wünschte ich, es wäre schon angezündet!“ Jesus sei sich bewusst gewesen, dass sein Tod in Beziehung zum Kommen des Reiches Gottes stehe. Die älteste Jesusüberlieferung ist auf den zentralen Inhalt der Botschaft Jesu bezogen: Die Nähe und Präsenz der basileia. Sie enthält eine Spannung zwischen den Zuständen der Gegenwart und den Erwartungen an Gottes Herrschaft, die politisch relevant ist und zur Hinrichtung Jesu durch die Machthaber führte. [...]


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