zur StartseiteZugang für Abonnenten
Startseite » Archiv » Ausgabe 2/2017 » Leseprobe 1
Titelcover der archivierte Ausgabe 2/2017 - klicken Sie für eine größere Ansicht
Den Aufbau eines jeden Heftes
finden Sie hier.
Wir über uns
Unsere Schwerpunkte und Akzente finden Sie hier.
Die Schriftleitung
stellt sich hier vor.
Unsere Autoren
Die Jahresverzeichnisse ab 2010 finden Sie hier.
Ausgaben der letzten Jahre
Die kompletten Ausgaben
im PDF PDF-Format
finden Sie hier.
<<< zur vorherigen Ausgabe zur nächsten Ausgabe >>>
Leseprobe 1 DOI: 10.14623/wua.2017.2.57-63
Peter Wiegand
Ablasskommissar, Theologe, Netzwerker
Der Dominikaner Johann Tetzel
Dass Johann Tetzel einen Platz in unserem Kollektivgedächtnis besitzt, verdankt er Martin Luther. Der bekräftigte es in seinen späten Lebensjahren immer wieder: Zur Abfassung seiner 95 Thesen habe ihn der sächsische Dominikaner veranlasst, der es mit seiner Werbung für den Petersablass „so grob“ machte, „das mans muste greiffen“. Äußerungen wie diese ließen ein konfessionspolemisch überhöhtes Zerrbild entstehen, das Tetzel zum Akteur des Reformationsgeschehens und Repräsentanten einer korrumpierten Frömmigkeitspraxis stilisierte. Dabei hatte auch Luther selbst keine Bedenken, ungeheuerliche Behauptungen über seinen Widersacher in die Welt zu setzen, die er, wie er bald zugab, nur vom Hörensagen kannte: „Selbst einer, der die Muttergottes vergewaltigt hätte, könne durch päpstliche Gnaden absolviert werden“ – unter anderem dies soll Tetzel während des Sommers 1517 gepredigt haben.

Erst der katholische Kirchenhistoriker Nikolaus Paulus bereitete der Erkenntnis den Weg, dass Tetzel eine Ausnahmeerscheinung allenfalls mit Blick auf seine profitorientierte Art der Gnadenverkündigung war. Mit seinem Ablassverständnis bewegte er sich hingegen ganz im Rahmen der kirchlichen Lehre seiner Zeit und als Ablasskommissar gehörte er einer Zunft an, die schon lange vor Luther in der Kritik stand. Und doch war er es, an dem sich die Kritik des Wittenberger Reformators entzündete. Wie kam es dazu? Neue Forschungen zeigen den vielgescholtenen ‚Ablasskrämer‘ vor allem als befähigten Organisator. Fragt man nach den Gründen seines Erfolgs, zieht ein bislang kaum beachteter Aspekt seiner Vita besondere Aufmerksamkeit auf sich. Es sind die Beziehungsnetzwerke des Dominikaners, die erklären, wie er zu einem der einflussreichsten Ablassfunktionäre am Vorabend der Reformation werden konnte.

Tetzel – der Ordensgeistliche

Zunächst ist Tetzels Karriere im Kontext seiner Ordenslaufbahn zu sehen. Geboren um 1465 in Pirna, begann er im Wintersemester 1482 das Studium an der Universität Leipzig. Um 1489 trat er in den Leipziger Dominikanerkonvent ein. 1497 wies ihn Ordensgeneral Cajetan dem Predigerkloster in Köln zu. Ob Tetzel tatsächlich dorthin wechselte, ist nicht überliefert. Seit Herbst 1500 ist er im schlesischen Glogau, Anfang 1502 als Lektor in Krakau nachweisbar, wo er das theologische Baccalaureat abgelegt haben könnte. Um 1504 übernahm er die Leitung der Glogauer Ordensniederlassung, 1509 ernannte ihn Cajetan zum Inquisitor und erteilte ihm die Erlaubnis, das theologische Magisterium abzulegen. Im Herbst 1515 kehrte er – möglicherweise über eine Zwischenstation in Thüringen – in das Leipziger Dominikanerkloster zurück und übernahm dort eine Predigerstelle. Auch hier, in der Ordensprovinz Saxonia, fungierte er als Ketzerinquisitor.

Tetzel – der Ablasskommissar


Schon von Glogau aus wirkte Tetzel an der Verkündigung jener Ablässe mit, die Papst Alexander VI. im Jubiläumsjahr 1500 zur Finanzierung eines Türkenkreuzzugs ausgeschrieben hatte. Anfang 1501 war er an der Öffnung einer Spendenkiste in Görlitz beteiligt und arbeitete später für Kardinal Raimund Peraudi, der im Auftrag des Papstes die Türkenpredigt in Mitteldeutschland organisierte. Ein um 1504 gedruckter Bruderschaftsbrief, den er als Prior von Glogau ausstellte, zeigt, dass er schon damals mit dem Einsatz typografischer Ablassmedien vertraut war, die eine wichtige Grundlage für den massenhaften Vertrieb kirchlicher Indulgenzen darstellten.

Seit Frühjahr 1505 war er für das Livlandjubiläum tätig, das die römische Kurie dem Deutschen Orden unter seinem Hochmeister Friedrich von Sachsen für den Kampf gegen das Großfürstentum Moskau gewährt hatte. In der Kirchenprovinz Magdeburg organisierte Christian Bomhower, Sekretär des livländischen Ordensmeisters Wolter von Plettenberg, die Verkündigung. Erzbischof Ernst, ein Vetter Hochmeister Friedrichs, dessen Bruder Herzog Georg von Sachsen und Kurfürst Friedrich der Weise förderten die Predigt, da sie gemeinsamen dynastischen Interessen entsprach. Bomhower eröffnete seine Kampagne am 2. März 1505 im Augustinerchorherrenstift Neuwerk in Halle, am 30. März in Leipzig. In jenen Tagen muss er auch Tetzel als Mitarbeiter verpflichtet haben.

Offenkundig verfügte dieser über Schlüsselqualifikationen, die für einen Ablassprediger ideal waren. Zu ihnen gehörten wissenschaftliche Bildung, ein moralischer Lebenswandel und hohes Ansehen – Eigenschaften, die Tetzel seinen langjährigen Studien, aber auch seiner Stellung bei den Dominikanern verdankte. Schon damals könnte er sich durch jene plakative Rhetorik ausgezeichnet haben, die Luther und auch einige seiner altgläubigen Zeitgenossen später kritisierten. Einen Eindruck gibt die Mitschrift einer Predigt von 1508, die sich unter anderem mit den dominikanischen Ordensablässen befasst. Als Obersachse war Tetzel auch mit den örtlichen Verhältnissen vertraut, was erklärt, dass man gerade ihn aus dem fernen Schlesien nach Mitteldeutschland holte. Nicht zuletzt sprach für ihn die Vernetzung innerhalb seines Ordens, dessen Infrastruktur er für die Ablassverkündigung nutzen konnte. Mit dem späteren Ordensprovinzial der Saxonia, Hermann Rab, besaß das Leipziger Dominikanerkloster damals selbst einen Ablassfachmann in seinen Reihen, der Tetzel aus dem gemeinsamen Studium in Leipzig kannte und bei Bomhower empfohlen haben dürfte. [...]


Lesen Sie den kompletten Artikel in der Printausgabe.

Zurück zur Startseite
Unsere Abos
Sie haben die Wahl ...
weitere Infos zu unseren Abonnements
Infos für unsere Autor/-innen
finden Sie hier.
Die Presse über uns
Meinungen
Anzeigen
Mit Anzeigen und Inseraten erreichen Sie Ihre Zielgruppe. Anzeige aufgeben

Unsere neue Dienstleistung für Verlage, die Ihr Abogeschäft in gute Hände geben wollen.


aboservice

mehr
Informationen


Wort und Antwort
Telefon: +49 (0)711 / 44 06-140 · Fax: +49 (0)711 / 44 06-138
Senefelderstraße 12 · D-73760 Ostfildern
Kontakt | AGB | Datenschutz | Impressum