archivierte Ausgabe 2/2014 |
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Christoph Gempp |
Tzuultaqa – Hüter der Berge, Täler und Flüsse |
Volksfrömmigkeit zwischen Manipulation und widerständiger Praxis |
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Am Beispiel der Religiosität des Volkes der Maya-Q’eqchi‘ soll aufgezeigt werden, wie Volksfrömmigkeit vom dominanten System manipuliert werden kann. Zugleich besteht aber auch die Möglichkeit, die herrschenden Zustände von Gewalt, Unterdrückung und wirtschaftlicher Ausbeutung durch die Kraft der Spiritualität des Volkes zu hinterfragen und Potential zum Widerstand zu entwickeln.
In unserem Falle geht es nicht um die herkömmlichen Formen von katholischer Volksfrömmigkeit. Die Maya-Q’eqchi‘ sind Nachfahren der Hochkultur der Mayas. Ihre Religion ist synkretistisch. Ursprüngliche religiöse Erfahrung ist durchwoben von der katholischen Tradition. Grundsätzlich dreht sich die Religiosität der Ahnen rund um den Zyklus der Landwirtschaft und zentriert sich im Mais. Die Riten richten sich an Tzuultaqa. Tzuultaqa ist ein spiritueller Wächter, gleichsam ein gottgesandter Schutzengel. Tzuultaqa heißt wörtlich übersetzt „Berg und Tal“. Er ist der Wächter der Berge, Täler und Gewässer. Er hat eine anthropomorphe Gestalt; er ist Vater und Mutter, gut und strafend, Geist und Materie. Die Ältesten sehen ihn/sie in ihren Träumen und empfangen Botschaften. Er ist der Hüter der Felder, des Mais, der Lianen, Bäume und Tiere.
Riten für Tzuultaqa
Jeder Eingriff in die Natur muss mit dem Einvernehmen von Tzuultaqa stattfinden: säen, holzen, fischen, der Bau eines Hauses. Mittels streng normierter Riten treten die Q’eqchi‘ in Kommunikation mit Tzuultaqa und bitten um Erlaubnis. Die Missachtung dieser Regeln führt zu Krankheit, Unglück, Naturkatastrophen und Missernten. Tzuultaqa fordert unbedingten Respekt. Die religiöse Erlebniswelt mit ihren Riten und Bräuchen hat allen Versuchen, sie auszuradieren, widerstanden.
Der wichtigste Ritus für Tzuultaqa besteht im Mayejak. Mayejak heißt nichts anderes als „Opfer“. Die zentralen Elemente im Mayejak sind Kopal Pom und Kerzen. Kopal Pom ist ein lokales wohlriechendes Harz, das entweder auf Kohlen wie Weihrauch oder vollständig in einem Lehmtopf verbrannt wird. Die Kerzen werden Kuut‘ genannt, was so viel wie „Stütze“ heißt: Stütze für das sichere Gehen und Voranschreiten im Leben. Bei kleineren Aktivitäten können die Kerzen aus Paraffin sein, bei wichtigen und größeren Anlässen sind sie aus Bienenwachs. Sie werden in einem eigens dazu vorgesehenen Ritual gezogen: Juyuk.
Ein Ritual wird in einem Zeitraum von etwa vier Wochen vorbereitet. Ein weiteres wesentliches Ritual ist der Watesink: dies heißt wörtlich „zu essen geben“. Rituell wird Tzuultaqa zum Essen eingeladen. Ein Haustier wird geschlachtet. Am geeignetsten für diesen Fall ist immer der einheimische Truthahn, aber auch ein Huhn oder eine Ente können verwendet werden. Dieses Tier wird rituell zubereitet und das Blut und bestimmte Teile des Tieres werden abgesondert. Watesink wird gefeiert bei der Einweihung eines Hauses, einer Kirche, eines neuen Feldes, aber heutzutage auch bei der Segnung eines neuen Autos oder Motors. Dieser Aspekt ist sehr interessant, denn die Fähigkeit, neue Elemente des täglichen Lebens in die rituellen Aktivitäten zu integrieren, macht die Kultur widerstandsfähiger in dem Sinne, dass die Spiritualität ungebremst weiterwirkt. Die Kerzen und der Pom sind lebendig. Alles ist lebendig. Auch das Feld, der Berg, der Fluss, der Stein, das Haus. Kerzen und Pom werden mit Blut und Kakao bestrichen. In den vier Himmelsrichtungen werden ein Teil des geopferten Tieres, Kakao und Tortilla vergraben. Die gekochten Gaben werden auf dem Hausaltar zu Füßen der Heiligenfigur dargebracht. Alles ist lebendig und alles bekommt symbolisch zu essen: die Kerzen, der Pom, die Erde, das Haus etc. Anschließend essen alle gemeinsam. Auch dies ist wieder ein rituales Mahl, an dem Tzuultaqa symbolisch teilnimmt. Mayejak und Watesink werden in der Nacht gefeiert. Das sind nur zwei Aspekte einer äußerst reichhaltigen Vielfalt von Riten, Legenden und Traditionen, die dem Q’eqchi‘-Volk zu eigen sind und zum Teil eifersüchtig gehütet werden.
Conquista und Zweite Evangelisierung
Als im 16. Jahrhundert mit der Conquista die spanischen Missionare kamen, führte dies zu einer synkretistischen Symbiose der traditionellen Religiosität mit den katholischen Zeichen und Riten. Besonders hervorzuheben ist die Bedeutung, die den Heiligenfiguren zukam. Die Q’eqchi‘ erkannten in den Skulpturen der Heiligen die Repräsentation der Tzuultaqas, die die Ältesten in ihren Träumen sahen. Die Heiligenfigur der Kirche wurde mit dem Tzuultaqa des nächsten Berges in Verbindung gebracht. Und wir dürfen davon ausgehen, dass dies bis heute der Fall ist. Im Vollzug der sogenannten zweiten Evangelisierung nach dem II. Vatikanischen Konzil wurde die Bibel zwar in die verschiedenen Maya-Sprachen übersetzt und zahlreiche Missionare lernten die Sprachen, so dass den Q’eqchi‘ auch das Leben der historischen Heiligen bekannt wurde. Dennoch bleibt in einer tieferen psychologischen Dimension die Identifikation der Heiligen in den Kirchen mit Tzuultaqa erhalten und die Emotionalität, die in der Volksfrömmigkeit zum Ausdruck kommt, ist weiterhin auf Tzuultaqa ausgerichtet. Dies hat in der Kirche zu unterschiedlichen Tendenzen geführt. Es gab Missionare, die die Vorstellung von Tzuultaqa mit Götzendienst in Verbindung brachten und alles daransetzten, den Glauben an Tzuultaqa auszuradieren. Da existierte aber auch die Linie der Inkulturation, die neu ansetzte und die Riten aus dem Bereich des Verbotenen hervorholten und zu einem neuen Respekt verhalfen. [...]
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