archivierte Ausgabe 2/2017 |
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Leseprobe 2 |
DOI: 10.14623/wua.2017.2.64-69 A |
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Adrian Schenker |
Die Bibel im Predigerorden in der Reformationszeit |
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Die Heilige Schrift hatte seit den Anfängen des Ordens im 13. Jahrhundert eine hohe Bedeutung für die Dominikaner. Kennzeichnend dafür ist es, dass sie schon früh in Paris, damals ein Zentrum sorgfältiger lateinischer Bibelausgaben, eine kleinformatige einbändige Bibel herausgaben, welche Wanderprediger leicht mit sich tragen konnten. Der hl. Dominikus, der Gründer, hatte nur eine Teilausgabe mit Matthäusevangelium und Paulusbriefen mit sich geführt, aber nur zwei bis drei Jahrzehnte später konnten die predigenden Brüder eine ganze Bibel überall griffbereit bei sich haben. Etwa zur gleichen Zeit erfanden die Brüder im Kloster Saint Jacques in Paris die erste Bibelkonkordanz, die das Auffinden von Bibelstellen leicht machte. Die Bibel stand somit ganz im Dienst der Verkündigung. Sie bildete aber ebenso auch den Kern des Theologieunterrichts. Alle großen Theologen der Zeit, unter ihnen Albert der Große und Thomas von Aquin, hielten Vorlesungen über die Bibel.
Am Ende des Jahrhunderts, um 1300, schuf vermutlich der Dominikaner Marchwart Biberli in Zürich die erste bekannte vollständige Übersetzung der Bibel ins Deutsche. In Zürich gab es ein wichtiges Studienhaus des Predigerordens im deutschen Sprachgebiet. Biberli war dort Lesemeister – Professor würde man heute sagen. Es ist wahrscheinlich, dass er die Bibel für die Schwestern des Ordens in die dortige Volkssprache, das Hochalemannische – die Sprache Heinrich Seuses (!) – übertrug, weil diese Frauen einen Zugang zur Schrift wünschten, welcher sie in der Liturgie täglich auf Lateinisch begegneten.
Das Studium der Bibel am Vorabend der Reformation
150 Jahre später hatte sich das Verhältnis zur Heiligen Schrift im Vergleich mit dem 13. und 14. Jahrhundert in ganz Europa gewandelt. Es war der Wunsch vieler gebildeter und informierter Leute, über die lateinische Bibel hinweg wieder zu den hebräischen, aramäischen und griechischen Urtexten zurückzugehen. Diese geistige Veränderung nahm ihren Anfang um 1400 in Italien und breitete sich überall aus. Es war die humanistische Bewegung, welche die Geister mit Macht erfasste. Viele Studenten suchten unter großen Mühen, oft als Autodidakten, Hebräisch und Griechisch zu lernen. Sie wandten sich an jüdische Lehrer und Rabbiner und an Griechen, die vor den in das byzantinische Reich eindringenden Türken geflohen waren. Weitblickende Universitäten wie Löwen und Mäzene wie der Kardinal und Kanzler des Königreichs, Francisco Cisneros in Spanien, führten am Anfang des 16. Jahrhunderts dreisprachige Kollegien ein, wo man Lateinisch, Griechisch und Hebräisch studierte. Die jungen Gelehrten stürzten sich mit Feuereifer in den Ozean der jüdischen Literatur mit ihren Werken in mittelalterlicher Sprachkunde und Bibelauslegung, den Talmuden und der Kabbala, wie z. B. Johannes Reuchlin und vor ihm schon die Philosophen Marsilius Ficinus und Picco della Mirandola im Florenz des 15. Jahrhunderts, zur Zeit des Dominikaners Savonarola (1452–98).
Der Humanismus, von den einen begeistert aufgenommen, stieß bei andern auf Ablehnung, weil manche einen Bruch mit der überkommenen Anerkennung der Vulgata, der verehrten lateinischen Bibelübersetzung des Kirchenvaters Hieronymus aus dem 3. und 4. Jahrhundert befürchteten, ein Bruch, der ja dann in der Reformation tatsächlich auch eintrat. Überdies hatte sich die an den Hochschulen von Paris, Köln, Oxford, Alcalá de Henares und anderen Zentren betriebene Theologie bisher auf die Vulgata gestützt, ohne sich näher auf die Frage einzulassen, wie weit diese mit den biblischen Urtexten übereinstimmte. Sollte man nun dieses Fundament verlassen und sich nach einer anderen Bibel umsehen, zu welcher nur Spezialisten der biblischen Sprachen Zugang hatten, während sie für die meisten theologischen Lehrer und Autoren verschlossen war? Die Schrift war in dieser spätmittelalterlichen Epoche zudem nicht mehr alleiniger Mittelpunkt der theologischen Reflexion. Philosophische Fragestellungen nahmen oft mehr Raum in Anspruch. Für solche Kreise war die aufbrechende größere Bedeutung der Urtexte eine unnötige Störung, die von Wichtigerem ablenkte.
Ein weiterer Faktor trat hinzu. Das war das in Europa gespannte und leider meist feindselige Verhältnis der Christen zu den Juden. Die Landesverweisung aller Juden aus Spanien und Portugal in den 1590er-Jahren ist dafür ein krasses Beispiel. Die von christlichen Humanisten angestrebte hebräische Gelehrsamkeit führte aber unweigerlich dazu, dass Juden als Fachleute und Lehrer herangezogen werden mussten. Das war manchen ein Dorn im Auge. Jetzt waren es nicht mehr nur jüdische Ärzte, deren Kunst Christen seit jeher gerne in Anspruch nahmen, sondern auch jüdische Gelehrte, Linguisten und Kenner der jüdischen Traditionen, die von wissbegierigen christlichen Fürsten, Theologen und Gelehrten als Lehrer gesucht waren. Ein berühmtes Beispiel ist der hervorragende jüdische Philologe und Spezialist des überlieferten (masoretischen) Bibeltextes Elias Levita, der den Kardinal Aegidius von Viterbo zum Schüler hatte, den General des Augustinerordens, in welchen Luther eintreten sollte. Levita wohnte bei Beginn der Reformation bei ihm und führte ihn in die Kabbala ein. Als sich der dominikanische Ordensmeister und Kardinal Cajetan dem modernen Studium der Bibel in humanistischer Manier zuwandte, ließ er sich von Hebraisten den genauen Sinn des ursprünglichen Wortlautes erläutern. [...]
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