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Leseprobe 2 DOI: 10.14623/wua.2024.3.116-121
Gerhard Kruip
Gerechtigkeit – Beteiligung – Bildung
Gerechtigkeit kann sicherlich nicht deshalb als „Ermessenssache“ bezeichnet werden, weil es in das Belieben der Einzelnen gestellt wäre, was sie unter Gerechtigkeit verstehen und wie sie sie umsetzen. Sehr wohl aber bedeutet Gerechtigkeit nicht in allen Situationen das gleiche und es ist auch gar nicht so eindeutig zu fassen, wann und wo welche der verschiedenen „Gerechtigkeiten“ in Anschlag zu bringen sind. Ich möchte im Folgenden den Gerechtigkeitsbegriff ausdifferenzieren und zeigen, wie sich unterschiedliche Arten von Gerechtigkeit in ihrer effektiven Realisierung wechselseitig voraussetzen und welche Schlüsselrolle dabei die Forderung nach Beteiligungs- und deshalb auch nach Bildungsgerechtigkeit einnimmt.

Verschiedene Formen von Gerechtigkeit

Beim Versuch, unterschiedliche „Gerechtigkeiten“ zu differenzieren und zu systematisieren, greift man am besten auf die Nikomachisches Ethik von Aristoteles und dessen Rezeption bei Albertus Magnus und Thomas von Aquin zurück. Ohne auf Details einzugehen, lassen sich allgemeine und spezielle Gerechtigkeit und bei letzterer Verteilungs- und Tauschgerechtigkeit unterscheiden. Bei der allgemeinen Gerechtigkeit, die in Anlehnung an den lateinischen Begriff der iustitia legalis auch als Gesetzesgerechtigkeit bezeichnet wird, geht es um die Pflichten der Mitglieder einer Gesellschaft dieser Gesellschaft gegenüber bzw. um die Ansprüche, die eine Gesellschaft legitimerweise an ihre Mitglieder richtet, vor allem also um die Einhaltung der Gesetze dieser Gesellschaft und erforderliche Beiträge zur Finanzierung gemeinsamer Aufgaben. Bei der Verteilungsgerechtigkeit geht es um die negativen und positiven Rechte der Einzelnen gegenüber der Gesellschaft bzw. um die entsprechenden Pflichten der Gesellschaft gegenüber den Einzelnen. Dabei stehen sehr unterschiedliche Güter zur Verteilung an, beispielsweise Rechte und Chancen, aber auch Einkommen und Dienstleistungen. Grundsätzlich kann die Verteilung dabei nach dem Prinzip der Gleichheit, nach Bedarf oder nach Leistung erfolgen. Rechte werden weitgehend nach dem Prinzip der Gleichheit verteilt, Sozialleistungen eher nach Bedarf und Lohneinkommen idealerweise nach Leistung. Die Tauschgerechtigkeit schließlich betrifft das Verhältnis der Einzelnen zueinander und kommt ins Spiel, wenn Mitglieder einer Gesellschaft untereinander Güter tauschen oder Schädigungen kompensiert werden müssen.

Nun lässt sich sehr leicht erkennen, auf welche enormen Schwierigkeiten die Realisierung der unterschiedlichen „Gerechtigkeiten“ stößt und wie sehr es dabei zu komplizierten Querverbindungen zwischen ihnen kommt. Die Bedarfsgerechtigkeit setzt voraus, dass geklärt wird, worin ein legitimer Bedarf besteht, für dessen Befriedigung tatsächlich die Allgemeinheit verantwortlich gemacht werden kann. Auch wenn man zunächst von einem für alle gleichen minimalen Bedarf für ein menschenwürdiges Überleben ausgeht, stellt sich bald die Frage, ob verschiedene Menschen, beispielsweise solche mit und ohne Behinderungen, nicht durchaus verschiedene Bedarfe haben, die mit dem Ziel einer Gleichstellung im Ergebnis, doch mit unterschiedlichem Aufwand zu befriedigen sind. Hier zeigt sich, dass auch für die Bedarfsgerechtigkeit Gleichheitsaspekte durchaus eine Rolle spielen. Schließlich kann man fragen, ob dabei nicht eine gewisse Leistungsbereitschaft bei denen eingefordert werden kann, die eine Unterstützung im Bedarfsfall reklamieren. Oder ob erwartet werden kann, dass solche Empfänger von Zuwendungen verpflichtet sind, sie in irgendeiner Form zurückzugeben, wenn sie dazu zu einem späteren Zeitpunkt wieder in der Lage sind. Hier verschränken sich also schon Bedarfs-, Leistungs- und Tauschgerechtigkeit.

Leistungsgerechtigkeit

Bei der Leistungsgerechtigkeit ist ähnlich zunächst zu klären, welche Leistung überhaupt gesellschaftlich als solche anerkannt werden kann. Mit Leistung kann also nicht nur subjektiv empfundene Anstrengung gemeint sein. Es muss sich schon um die Bereitstellung von Gütern handeln, die von der Gesellschaft oder mindestens von Teilen von ihr als wichtig angesehen werden. In Gesellschaften, die zu einem erheblichen Teil nach Marktprinzipien organisiert sind, wird sich diese Bedeutung vor allem aus dem Marktwert erbrachter Leistungen ergeben. Deshalb stellt sich hier auch die Frage, ob Leistungsgerechtigkeit nicht eher der Tauschgerechtigkeit zuzuordnen wäre. Jedoch sind es immer auch staatlich festgelegte Rahmenbedingungen von Märkten, die die dort erreichten Preis- und Lohnverhältnisse entscheidend mitbestimmen. Hinzu kommt aber noch angesichts der zunehmend komplexer werdenden Arbeitsteilung die Schwierigkeit, den individuellen Beitrag in fairer Weise zu bemessen. Wie sind die Leistungen so unterschiedlicher Beiträge wie schwere körperliche Arbeit, kluge Organisation, effizienzfördernde Kreativität oder Werbung für die hergestellten Güter zu bewerten und damit der erzielte Preis auf die an der Herstellung Beteiligten in fairer Weise zu verteilen? Auch die Leistungsgerechtigkeit impliziert in der Regel das Prinzip der Gleichheit, wenn etwa gleicher Lohn für gleiche Arbeit gefordert wird. Als fair kann Leistungsgerechtigkeit zudem nur angesehen werden, wenn alle die gleichen Chancen hatten, gesellschaftlich anerkannte und entsprechend entlohnte Leistungen überhaupt zu erbringen. Wenn davon Menschen beispielsweise auf Grund ihrer Hautfarbe, ihres Geschlechts oder der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stand oder einer benachteiligten Gruppe von vornherein ausgeschlossen bleiben, ist die besondere Entlohnung von Leistungen sicherlich nicht als gerecht anzusehen. Deshalb setzt bekannterweise John Rawls in seiner Theorie der Gerechtigkeit3 für das Differenzprinzip, bei dem Leistungsgerechtigkeit mitgedacht ist, faire Chancengerechtigkeit voraus. [...]


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