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Leseprobe 2 |
DOI: 10.14623/wua.2021.4.160-166 |
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Abualwafa Mohammed |
Mit der Korandidaktik zum abrahamitischen Trialog in Schule und Bildungsarbeit |
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In diesem Beitrag wird für eine zeitgemäße Lesart des Korans als Beitrag für einen Trialog zwischen den drei großen monotheistischen Religionen plädiert. Diese Lesart wird von einer pädagogisch-didaktischen Perspektive begleitet. Wichtig dabei: Sie hilft auch den Muslim:innen selbst, das Friedenspotenzial des Korans im Alltag erlebbar zu machen. Der Trialog kann eine entscheidende Rolle bei dem Abbau von Vorurteilen, gegen Hass, Antisemitismus und Islamfeindlichkeit spielen. Der Dialog zwischen zwei Religionen ist ein gewohntes Format der interreligiösen Begegnung, z. B. zwischen Islam und Christentum, Christentum und Judentum oder Judentum und Islam. So hat man einen Gesprächspartner und weiß, worauf man am meisten achten soll und wo die Gemeinsamkeiten liegen. Man vermeidet es oft, auf die Unterschiede einzugehen oder umgeht sie. Aus muslimischer Sicht wird man beim Dialog mit Christ:innen eher auf Nächstenliebe und die Geburt Jesu im Koran zu sprechen kommen. Begegnen Muslim:innen Jüd:innen, dann legt man den Fokus auf die gemeinsamen Vorschriften, wie etwa Speisevorschriften oder Bilderverbot. Man vermeidet es, über heikle und „unangenehme“ Themen zu sprechen. Oft gestaltet sich solch ein Dialog als „diplomatisches Treffen“ oder als eine PR-Kampagne für die jeweiligen Religionsvertreter:innen. Der Trialog hingegen könnte offener und sachlich vielfältiger sein. Er ist daher ein eigenes Format und eine wichtige pädagogische Methode zur Friedenserziehung und für ein zeitgemäßes und tolerantes Religionsverständnis.
Mit Einführung des islamischen Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen, der heute von ca. 60.000 Schüler:innen in Deutschland besucht wird (in Österreich, wo der islamische Religionsunterricht 40 Jahre Tradition hat, besuchen ihn ca. 80.000 Schüler:innen), steigt die Erwartung, dass es nun mehr Verständigung zwischen den Religionen geben soll. Dieses Ziel wird auch in den verschiedenen offiziellen Lehrplänen zum islamischen Religionsunterricht festgehalten. Der Weg zu diesem angestrebten Ziel ist aber ein Weg voller Hürden und Hindernisse. Die Herausforderungen sind hierfür nicht nur organisatorischer, politischer oder gesellschaftlicher Art, sondern vielmehr auch theologischer, pädagogischer und didaktischer. Und dazu vor allem noch subjektiv-personaler Art, was Einstellung und Mentalität der Lehrkräfte und ihres Umfeldes betrifft.
Allein im pädagogischen Bereich stellen sich große Fragen nach dem Lehrplan, dem Unterrichtsmaterial und den Schulbüchern, die für einen Trialog sensibilisieren wollen und diesen einfordern. Ebenfalls müssen Fragen der Didaktisierung des Korans und der Prophetentradition (Sunna) im islamischen Kontext sowie der Aus- und Weiterbildung von Lehrer:innen geklärt werden. Letzteres stellt eine weitere große Herausforderung dar, nämlich die notwendigen Kompetenzen der Lehrkräfte, ihre Befähigung zum Trialog. Die Lehrkraft soll über wichtige Grundlagen zweier anderer Religionen solide informiert sein. In der Begegnung mit den anderen Religionen braucht es nach übereinstimmenden Forschungen aber auch wichtige interreligiöse Haltungen, die man als Teilkompetenzen formuliert hat: (1) Religiöse Wahrnehmungskompetenz; (2) Kompetenz der Anerkennung; (3) Differenzkompetenz und Ambiguitätstoleranz; (4) Reflektierter Perspektivenwechsel; (5) Empathie-Kompetenz; (6) Religiöse Identitätssicherheit; (7) Vorurteilsbewusste Haltung.
Der Koran ist in einer trialogischen Interaktion entstanden
Der Koran stellt für Muslim:innen und den Islam die erste Hauptquelle der religiösen Bildung und das zentrale religiöse Buch dar. Er ist das „Lehrbuch“ des Islams. Diese Tatsache der islamischen Glaubenswelt verstellt aber oft den prozesshaften, dynamischen Offenbarungsvorgang, der dem Koran von Beginn an innewohnte. Die Entstehung des Korans auf der menschlich-historischen Ebene war trialogisch. Der Koran spricht mit und über Juden, Christen, aber natürlich auch mit Atheisten und Polytheisten (auf die hier nicht näher eingegangen wird). Inhalte, Vorstellungen und Voraussetzungen von Judentum und Christentum sind in die Entstehung eingeflossen. Der Prophet Mohammed selbst war als „Gott-Suchender“ und werdender Muslim in dieser trialogischen Gedankenwelt zu Hause. Man findet im Koran immer wieder Parallelen zu den biblischen Geschichten. Beispiele: In der frühen mekkanischen Phase des Korans liest man über das Schicksal von Sodom und Gomorra (Sure 53,54; 69,9), über Noah und die Sintflut (Sure 53,53; 51,46), über Pharao und sein in den Fluten des Roten Meeres vernichtetes Heer (Sure 85,18; 73,16; 79,17; 89,9; 69,9).6 In der mekkanischen Periode kommt Abraham nicht selten vor (bspw. seine Konfrontation mit den Götzendienern und die Zerstörung ihrer Statuen, Sure 6,74; 21,52–58, und die darauffolgende Gnade Gottes, Sure 21,68–71).
Der Koran hebt große Frauennamen hervor, die eine entscheidende Rolle im Trialog spielen: Die Familie Imran, nach der die Sure 3 benannt ist, und ebenso Maria – die Mutter Jesu –, nach der die Sure 19 benannt ist, die Mutter und die Schwester Moses, aber auch Abrahams Frau und nicht zuletzt eine „wahre Gläubige im Palast des Pharaos“: Sie alle finden im Koran Erwähnung und Würdigung. Als der Koran Vorbilder für gläubige Männer und Frauen geben wollte, nannte er eine „Christin“ und eine „Jüdin“ als zutreffende Vorbilder.
„Und Gott legt denen, die glauben, das Beispiel von Pharaos Frau vor, als sie sagte: ‚Mein Herr! Baue mir ein Haus bei Dir im Paradies und befreie mich von Pharao und seinen Taten und befreie mich von dem Volk der Ungerechten!‘ Und [Gott legt das Beispiel] von Maria, der Tochter Imrans, [vor,] die ihre Scham bewahrte − darum hauchten Wir von Unserem Geist in diese ein; und sie glaubte an die Worte ihres Herrn und an Seine Schrift und war eine der Gehorsamen.“ (Sure 66,11–12) An diese schon vorislamische religiöse Gedankenwelt konnte Gott im Offenbarungsvorgang anknüpfen. Das war zum Teil so, dass Elemente aufgegriffen, andere aber abgelehnt wurden, ein Prozess von Aneignung und Ablehnung bzw. Abgrenzung. Konkret haben Hörer der koranischen Botschaft aus Heidentum, Judentum und Christentum mit Mohammed diskutiert, Inhalte der Botschaft angenommen oder abgelehnt. Es war also auch ein Prozess der Verkörperung des Gotteswortes, an dem die Menschen damals beteiligt waren. Für den gläubigen Menschen geschah dies alles auf dem Hintergrund von Gottes Wille. Dieser vielfältige Prozess ist von ihm gewollt: „Und hätte dein Herr es gewollt, so hätte Er die Menschen alle zu einer einzigen Gemeinde gemacht; doch sie wollten nicht davon ablassen, uneins zu sein.“ (Sure 11,119) Daraus kann man interpretieren, dass es Gottes Plan war, die vielfältigen Meinungen miteinander ins Gespräch zu bringen. Ein vielfältiges und dann auch spezifisch trialogisches Gespräch schon in der Frühzeit des Islams zählt, wissenschaftlich betrachtet, demnach zu den Voraussetzungen der Entstehung des Korans. Es ist für den Trialog so wichtig, diese Perspektive neu zu entdecken. Die Bemühungen von Angelika Neuwirth, insbesondere ihrer Publikationen rund um den „europäischen Koran“ und das langjährige Projekt Corpus Coranicum, bilden eine hervorragende Basis für eine solche Annährung: „Noch immer ist der Koran nicht in unserem theologischen Wissenskanon angekommen“, meint Neuwirth. [...]
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