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Leseprobe 3 |
DOI: 10.14623/wua.2024.1.32-38 |
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Thomas Eggensperger |
Thomas von Aquin – ein „Ethiker“ avant la lettre |
Zum „ethischen“ Teil der Summa theologiae |
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In dem vor kurzem erschienenen Band der Deutschen Thomas-Ausgabe über das „Ziel und Handeln des Menschen“ weist Klaus Jacobi, der Übersetzer und Kommentator des Bandes, in seiner Einleitung nicht nur darauf hin, dass der zweite Teil der Summa – der ethische Teil – der umfangreichste ist im Vergleich zum ersten und dritten Teil, sondern auch darauf, dass dies kein Zufall ist, sondern explizit der theologischen Intention des Aquinaten entspricht. Dies hat zu tun mit den Umständen seiner dominikanischen Existenz, auf deren Grundlage er sich zur Abfassung des Werks entschloss.
Die Hauptaufgabe des Dominikanerordens war – durch päpstlichen Auftrag und nach den Ordensstatuten –, zu predigen und Beichte zu hören. Entsprechend wurden die Fratres ausgebildet: Der Hauptgegenstand war Moraltheologie, die normale Methode war die Diskussion strittiger Fälle; der Unterricht beruhte auf Handbüchern.“ Es ist das Ziel des Beitrags herauszuarbeiten, warum und in welchen Grenzen es gerechtfertigt ist, Thomas von Aquin als „Ethiker“ zu bezeichnen. Dazu bedarf es eines Blicks auf das akademische Umfeld, in dem Thomas sich bewegte – das Universitätswesen.
Theologie als Fakultät
Vermutlich wäre Thomas von Aquin selbst recht erstaunt gewesen über den Versuch, an sein OEuvre mittels der Methoden unterschiedlicher (theologischer) Disziplinen heranzutreten. Im Mittelalter stellten sich bestimmte Fragen hinsichtlich des Wechselverhältnisses nicht in der Weise, wie sie heute diskutiert werden.
So wurde zum ersten die Wissenschaftlichkeit der Theologie überhaupt nicht in Frage gestellt. Im europäischen Universitätswesen galt das Fach als die Königsdisziplin der neu gegründeten Universitäten, die innerhalb der Fakultäten mit der Philosophie, dem Recht und den Artes Liberales ein wissenschaftliches Bündnis einging, das mal mehr, mal weniger als Konkurrenzverhältnis daherkam. „Der Ursprung der europäischen Universität ist in ihrer Gesamtheit ohne Theologie kaum denkbar.“ Selbst, wenn dies nicht für alle Universitäten galt, so doch für die meisten, wie der Kirchenhistoriker Volker Leppin aufzeigt. Es scheint, als ob die Theologie, die an den Universitäten gelehrt wurde, für einige der Zeitgenossen allzu modern und liberal war. Immer wieder wurden Befürchtungen laut, es würde den jungen Studierenden häretische Flausen in den Kopf gesetzt. So war es beispielsweise ein Anliegen von Papst Alexander III., das neu aufgekommene Schulwesen kirchenrechtlich und kirchenordnend in den Griff zu bekommen. Dies ist insofern verständlich, da es Anliegen war, dass Theologie sich nicht von der kirchlichen Lehre lösen sollte, sondern ihr verbunden zu bleiben habe Leppin geht sogar so weit zu behaupten, dass man angesichts der klaren Ausrichtung auf die Theologie den Ursprung der Pariser Universität nicht als Mehrfakultätenuniversität zu betrachten habe, sondern vielmehr als „Ausbildungsanstalt für Theologie.“
In Paris gab es anfangs ohnehin nur zwei Fakultäten. Neben der Theologie gab es die Fakultät der Freien Künste (Artes Liberales), die man sich als Vorstufe zur Theologie vorzustellen hat. Um überhaupt Theologie studieren zu dürfen, bedurfte es neben einem Mindestalter langjähriger universitärer Studien, die man u. a. im Bereich der Artes-Fakultät praktizierte. Beide Fakultäten wurden der Begegnungsraum für (heidnisch) philosophische Traditionen wie die des Aristoteles, welche seitens der Kirche skeptisch beäugt wurden und es deshalb immer wieder zu Verboten der Aristoteles-Rezeption kam.
Etwas anders verhielt es sich allerdings an der Universität von Oxford, in der es zwar eine starke theologische Fakultät gab, die aber dominiert wurde von den Freien Künsten und den Rechtswissenschaften. Die Theologen waren Teil eines „transnationalen Netzwerks“ – nicht zuletzt durch die mobilen Mendikanten und andere Gelehrte, die England verließen und in Paris Karriere zu machen suchten. Die Bettelorden, vor allem die Dominikaner, waren in Oxford wie auch in Paris und anderen Universitäten eine relevante Größe, da sie häufig mit ihrem eigenen Studienbetrieb in die Universität integriert wurden unter Wahrung ihrer spezifischen Interessen. Im Gegensatz zu Paris war der Usus, vor dem Theologiestudium zunächst den Abschluss der Artistenfakultät vorzuweisen, in Oxford Teil eines Konflikts. Die in Oxford präsenten Dominikaner sahen diese Art des Propädeutikums als nicht nötig an und so erreichten sie eine Dispensregelung, die aber scheinbar zunehmend nicht mehr erteilt wurde. Die Debatte war aber weniger ein akademischer Diskurs zweier Disziplinen, sondern eher von formaljuristischer Relevanz.
Thomas von Aquin war einer der ersten Theologen seiner Zeit, der sich offensiv mit der Philosophie im Allgemeinen (z. B. mit Boethius) und Aristoteles im Besonderen auseinandersetzte. Dabei verstand er Theologie und Philosophie nicht einfach als zwei unterschiedliche Disziplinen, sondern vielmehr als ineinander verwoben und sich gegenseitig bereichernd. Sein Wissenschaftsverständnis gründet auf Aristoteles: Der Erkenntnisweg zu Gott erfolgt nur über die geschaffenen Dinge und damit über die Sinne, was Sache der „philosophia prima“ bzw. der „scientia divina“ ist. Hier ist der Mensch das Erkenntnissubjekt. Daneben steht die Theologie mit dem Erkenntnissubjekt Gott und so handelt es sich bei ihr um die Wissenschaft der Seligen, die Gott selbst seiner Natur gemäß erkennen können. Dem Menschen eignet eine „participatio“ an der göttlichen Wissenschaft mittels des ihm eingegebenen Glaubens („per fidem nobis infusam“). Über den Glauben erreicht der Mensch also eine höhere Wissenschaft als nur die philosophische. [...]
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