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Leseprobe 3 DOI: 10.14623/wua.2021.2.65-70
Franklin Buitrago Rojas
Pablo Escobar
Von der Stärke des Helden oder der Angst vor Terrorismus
Als Kolumbianer bin ich in einem Land aufgewachsen, in dem viel Angst herrschte. In den 1990er Jahren hatten wir in den Städten Kolumbiens Angst, an überfüllte Orte zu gehen oder öffentliche Veranstaltungen zu besuchen, weil immer die Gefahr eines Terroranschlags bestand. Zwischen 1989 und 1993 gab es elf Terroranschläge in Bogotá, die meisten davon Sprengstoffanschläge, bei denen mehr als 200 Menschen getötet und 1.100 verletzt wurden. Der Grund für diese Angst hatte einen Namen: Pablo Escobar. Deshalb finde ich es paradox, über die Tugend der Tapferkeit zu schreiben und dabei an die Person des bekannten kolumbianischen Drogenhändlers Pablo Escobar zu denken, denn eine der Definitionen von Tapferkeit lautet exakt: die Fähigkeit, angesichts von Widrigkeiten Angst zu ertragen. In diesem Artikel möchte ich zeigen, dass eine Tugend oder menschliche Eigenschaft, die nicht durch andere Tugenden harmonisiert und ausgeglichen wird, zu einem gefährlichen und zerstörerischen Laster werden kann: „Corruptio optimi pessima.“ Ambrosius von Mailand hatte Recht, als er schrieb, dass Tapferkeit (oder besser Stärke), wenn sie nicht von Gerechtigkeit begleitet wird, Sache des Bösen ist.

Pablo Escobar

Pablo Emilio Escobar Gaviria wurde 1949 als Sohn einer Bauernfamilie geboren, die in Envigado (einer Stadt in der Nähe von Medellín, Kolumbien) lebte. Von klein auf war er in Schmugglernetzwerke und illegale Geschäfte verstrickt. Ende der 1970er Jahre stieg er in das Geschäft der Herstellung und Vermarktung von Kokain und Marihuana ein. Das tropische Klima, die geographische Lage und die Schwäche des Staates machen Kolumbien zu einem günstigen Standort für dieses Geschäft. Mit großer Intelligenz und durch Einschüchterung seiner Partner übernahm Escobar den Drogenhandel und gründete das Medellín-Kartell, das Ende der 1980er Jahre 75 % des illegalen Kokainmarktes in den Vereinigten Staaten kontrollierte. Dank des aus diesem Geschäft resultierenden Vermögens wurde Escobar vom Forbes-Magazin sieben Jahre in Folge als einer der reichsten Männer der Welt gelistet.

Während seines gesamten Lebens zeigte Escobar Solidarität mit den Armen in seiner Heimatregion und führte einen kritischen Diskurs gegen die traditionellen Oligarchien und den US-Einfluss in Kolumbien. Mit seinem unermesslichen Vermögen baute er die ersten 443 Häuser im Viertel „Medellín sin tugurios“, die er an die ärmsten Familien der Stadt verschenkte. Heute hat dieses Gebiet etwa 16.000 Einwohner und ist im Volksmund als Barrio Pablo Escobar bekannt; Touristen aus der ganzen Welt kommen hierher, um Souvenirs mit Fotos und Abbildungen des Capo zu kaufen. Escobar wurde auch durch den Bau von Fußballplätzen und die Verteilung von Geld, Lebensmitteln und Medikamenten in den Randbezirken von Medellín populär. Dem verdankt er sein Image als Robin Hood.

Der Staat und die kolumbianischen Eliten hatten kein Problem mit den illegalen Aktivitäten Escobars, da sie von den Dollar-Millionen aus dem Drogenhandel profitierten. Das Problem begann, als Escobar als Abgeordneter des kolumbianischen Parlaments in das nationale politische Leben eintreten wollte. Der damalige Justizminister Rodrigo Lara Bonilla und Enrique Cano, Direktor einer großen Zeitung in Bogotá, waren die ersten in einer langen Reihe von Politikern, Polizisten, Richtern und Journalisten, die auf Befehl Escobars getötet wurden. Bis Ende der 1980er Jahre hatte Escobar dem kolumbianischen Staat den Krieg erklärt, indem er Flugzeuge, Regierungsgebäude und öffentliche Einrichtungen in die Luft sprengte und sogar Belohnungen für jeden getöteten Polizisten aussetzte.

Die ungeheure wirtschaftliche und militärische Macht Escobars zeigte die Schwäche des kolumbianischen Staates. Ohne die Unterstützung der Regierung der Vereinigten Staaten und den Druck von Escobars größten Feinden im Drogengeschäft, dem Cali-Kartell, hätte der Staat den Krieg gegen den Boss nicht gewinnen können. Der Grad an Schrecken und Sadismus, den der Narco-Terrorismus erreicht hat, erklärt, warum die große Mehrheit der Kolumbianer die Ermordung Escobars in einer Polizeiaktion am 2. Dezember 1993 als Triumph feierte. In den letzten Jahren haben mindestens fünf Filme, zehn Serien und Telenovelas, 18 Dokumentarfilme und zahlreiche Bücher Escobars Erinnerung wieder aufleben lassen und ihn zu einer Ikone für unterschiedliche Anliegen und gesellschaftliche Forderungen gemacht. Für viele Kolumbianer, die mit dem Bild von Escobar als dem größten Feind der Nation aufgewachsen sind, und die sich schämen, als Volk von Drogenhändlern stigmatisiert zu werden, ist es seltsam und bedauerlich, dass Escobar an vielen Orten auf der Welt weiterhin so beliebt ist.

Wer ist der Tapfere?

In einer Atmosphäre moralischer Ambiguität und widersprüchlicher Geschichten kann uns ethische Reflexion helfen, Elemente zur Analyse und Unterscheidung zu finden. In der Figur Escobars als kolumbianischer Robin Hood werden scheinbar zwei Eigenschaften bewundert und gepriesen: den Bedürftigsten gerecht zu werden und die Stärke zu haben, einem repressiven Staat und einer oppressiven sozialen Struktur wirksam entgegenzutreten. Ich werde mich auf die Dimension der Stärke (fuerza) konzentrieren, indem ich versuche, sie von der moralischen Tugend der Tapferkeit (fortaleza) her zu lesen.

Aristoteles und Thomas von Aquin bezeichnen den als tapfer, der fähig ist, angesichts von Schwierigkeiten standzuhalten oder um des Guten willen zu kämpfen. Ursprünglich wurde Tapferkeit mit der bei Kriegern bewunderten körperlichen Stärke identifiziert, doch später wurde die Verwendung des Begriffs auf die Bezeichnung der moralischen Tapferkeit ausgeweitet. Der Tapfere könne Widrigkeiten widerstehen und überwinden, weil er mit der Ausdauer und Standhaftigkeit ausgestattet ist, entschlossen zu handeln. [...]


Lesen Sie den kompletten Artikel in der Printausgabe.

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