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Leseprobe 3 DOI: 10.14623/wua.2015.4.176-183
Dominik Farrenberg
Macht in Erziehungsverhältnissen
Über Machtmissbrauch und -strukturen
Macht wird in Erziehungsverhältnissen aktuell – zumindest öffentlich-medial – vorwiegend unter dem Aspekt des Machtmissbrauchs thematisiert und diskutiert. Meldungen von repressiven Sanktionen, einschüchternden, verletzenden und demütigenden Erziehungspraxen, der Missachtung grundlegender Rechte und Bedürfnisse, bis hin zu Übergriffen mit körperlicher oder sexualisierter Gewalt in Internatsschulen sowie in der Heimerziehung, werfen die Frage auf, inwiefern diese mit Erziehung beauftragten Institutionen ihrem Erziehungsauftrag umfänglich und in angemessener Weise gerecht werden (können). Einmal mehr wird das gesellschaftliche Vertrauen dadurch erschüttert, dass sich diese Meldungen von Missbrauchsfällen auch auf Erziehungsinstitutionen der christlichen Kirchen erstrecken; Schutzbefohlene also gegenläufig zur erwarteten Praxis christlicher Nächstenliebe „im Namen des Herrn“ geschlagen, verletzt und gedemütigt werden. Besonders innerhalb fachinterner Diskussionen werden die angesprochenen Formen von Machtmissbrauch nicht allein als singuläre Phänomene wahrgenommen, die sich auf Verfehlungen und Straftaten einzelner Pädagog/-innen und Ordensleute zurückführen lassen. Vielmehr werden, über diese (Macht-)Beziehungen zwischen Erziehenden und zu Erziehenden hinausgehend, das Erziehungssystem mit seinen Erziehungszielen und -mitteln, sowie die institutionellen und gesellschaftlichen Rahmungen von Erziehungsverhältnissen mit den Missbrauchsfällen in Zusammenhang gebracht und damit in durchaus (selbst-)kritischer Absicht in Frage gestellt, sowie einer Reflexion zugänglich gemacht.

Diese Fährte aufnehmend, geht der vorliegende Beitrag zunächst von der These Klaus Wolfs aus, dass nicht nur Macht, sondern auch ein Machtüberhang auf Seiten der Erziehenden gegenüber den zu Erziehenden ein konstitutives Moment von Erziehungsverhältnissen darstellt. Von diesem Verständnis ausgehend werden in der Folge Machtstrukturen problematisiert, die besonders für eher geschlossene Erziehungsverhältnisse wie beispielsweise Internatsschulen und Heimerziehung kennzeichnend sind, um hierüber schließlich den Machtmissbrauch selbst in Augenschein nehmen zu können.

Machtüberhang als konstitutives Moment von Erziehung

Pädagogische Beziehungen sind unweigerlich immer schon verwoben mit Fragen der Macht. Anders formuliert: Erziehung vollzieht sich in Machtbeziehungen. Als Beziehungen zwischen Erziehenden und zu Erziehenden bzw. zwischen Lehrenden und Lernenden sind pädagogische Beziehungen in eine Hierarchie eingebunden, die sich in diesem Sinne als „Ungleichverteilung von Macht“ bzw. als ein „Gefälle von Kompetenz und Nicht-Kompetenz“ begreifen lässt. Auch wenn partnerschaftliche, also partizipativ-autoritative Erziehungsbeziehungen angestrebt werden, wie es derzeit üblicherweise der Fall ist, kann bestenfalls eine Gleichwertigkeit von Erziehenden und zu Erziehenden, keinesfalls aber eine Gleichartigkeit dieser beiden Positionen erreicht werden. Ohne Wissens-, Kenntnis- oder Entscheidungsvorteile sind Erziehungs- (und ebenso auch Betreuungs-)Verhältnisse nicht realisierbar. Allerdings reicht es nicht aus, die Gegebenheit des Machtüberhangs in pädagogischen Beziehungen einfach als existent hinzunehmen, vielmehr ist eine ethische Legitimation dafür erforderlich, warum jemand aus einer machtvolleren Position heraus jemanden in einer weniger machtvollen Position erzieht. So lässt sich Erziehung im Sinne Friedrich Schleiermachers als Zumutung lesen, deren Legitimation fortlaufend zu überprüfen ist, dadurch dass sie nicht nur auf die Zukunft der zu Erziehenden auszurichten ist, sondern darüber hinaus auch für ihre und in ihrer Gegenwart intelligibel sein muss. Darauf aufbauend wiegt auch in Micha Brumliks ausbuchstabierten, advokatorischen Ethik die Integrität des zu Erziehenden mehr, als das Erziehungsziel, so wie sich erzieherisches Handeln daran messen lassen muss, dass die zu Erziehenden diesem Erziehungshandeln wohl rückblickend zustimmen können und die Erziehenden sich selbst gerne derart erzogen sehen möchten. Erziehungsbeziehungen sind demnach nicht nur von einer Macht-, sondern gleichzeitig auch von einer Verantwortungsasymmetrie gekennzeichnet, die zwei weitere Strukturmerkmale aufweist. Erstens besteht, anders als in Herrschaftsbeziehungen, in pädagogischen Beziehungen das Ziel nicht darin, den Machtüberhang auf Seiten der Erziehenden gegenüber den zu Erziehenden zu erhalten oder gar auszubauen, sondern gerade darin, ihn abzubauen und auf lange Sicht aufzulösen: Pädagogische Beziehungen sind dementsprechend Beziehungen auf Zeit, deren Ziel in ihrer Auflösung liegt. Zweitens tragen die zu Erziehenden gerade keine Verantwortung für die Bedürfnisse oder Probleme der Erziehenden: „Wo das nicht gilt, hat die sozialpädagogische Beziehung ihre Form verloren“.

Grundlegender ist jenseits dieses für Erziehungsverhältnisse konstitutiven Machtüberhangs zu konstatieren, dass sich Macht generell dort einstellt, „wo Menschen ihr Verhalten aufeinander abstimmen und soziale Ordnungen hervorbringen“. Macht ist demnach als soziale Tatsache zu begreifen, die konstitutiv für „das Sein in Gesellschaft“ ist und überdies auch nicht vorschnell als negativ bewerten werden soll. So wird sie bei Michel Foucault als die produktive Kraft verstanden, die die Gesellschaft durchzieht und zusammenhält, indem sie bestimmte Handlungsvollzüge in bestimmten Kontexten wahrscheinlicher werden lässt. Dabei ist sie im Gegensatz zu Zwang oder Gewalt auf die Vorbedingung der Freiheit angewiesen. Auch Niklas Luhmann unterscheidet Macht von Zwang, indem Macht für ihn mit Entscheidungsoptionen und Selektionsmöglichkeiten einhergeht, während Zwang Handlungen hingegen auf eine Option reduziert. Ein Stück weit anders gelagert stellt Norbert Elias nicht Freiheit, sondern Gleichgültigkeit der Macht gegenüber, dadurch dass sie sich aus machtdifferentiellen Abhängigkeiten ergibt. [...]


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